Damian Müller | Ständerat

Die Fiskalquote macht klar: Der schlanke Schweizer Staat ist passé

  • 14. Juli 2025
  • 3 min Lesezeit

Die jüngsten Beschlüsse des Ständerats zur AHV bedeuten eine Zäsur: Die Ausgaben für die AHV sollen um 8 bis 9 Milliarden Franken jährlich steigen. Diese Summe wird zum grössten Ausgabenpaket in der Geschichte der Eidgenossenschaft. Und dies nicht etwa zur Deckung der wachsenden fiskalischen Lücke unseres wichtigsten Sozialwerks: die Mittel sollen stattdessen zur Finanzierung der 13. AHV-Rente dienen und für höhere Renten für Ehepaare eingesetzt werden. Doch der Preis für diese Politik der grossen Kelle ist hoch.

Fiskalquote: Der wahre Gradmesser

Gemeinhin hört man, die Schweiz sei ein schlanker Staat mit niedrigen Zwangsabgaben. Doch das ist längst überholt. Die Fiskalquote – der Anteil der Wirtschaftsleistung, der dem Staat zwangsweise abgeliefert wird – ist in den letzten Jahren stark gestiegen. 1990 betrug sie 23 Prozent. Inzwischen sind wir bald bei 29 Prozent. Das bedeutet: Fast ein Drittel dessen, was wir erwirtschaften, wird für staatliche Aufgaben abgezweigt. Doch diese Zahl ist nur die halbe Wahrheit. Die offiziell ausgewiesene Fiskalquote berücksichtigt nämlich nicht die Sozialabgaben für Pensions- und Krankenkassen, die hierzulande – im internationalen Vergleich eine Spezialität der Schweiz – über private Anbieter laufen. Wenn man diese Zwangsabgaben korrekterweise hinzurechnet, erreicht die Fiskalquote in der Schweiz bald einmal 40 Prozent – vergleichbar mit Ländern wie Deutschland oder Frankreich. Unser Ruf als schlanker Staat wird damit arg strapaziert.

Sozialausgaben und steigende Erwartungen

Der Anstieg der Fiskalquote ist vor allem auf höhere Sozialausgaben zurückzuführen. Nicht nur wegen demografischer Veränderungen, sondern vor allem auch wegen der veränderten gesellschaftlichen Erwartungen. Mit wachsendem Wohlstand steigen die Ansprüche an den Staat. Jede zusätzliche Leistung schafft neue Begehrlichkeiten. Das gefährdet langfristig unseren Wohlstand.

Folgen für den Mittelstand und die Wirtschaft

Besonders hart trifft die steigende Fiskalquote den Mittelstand. Lohnabzüge und Mehrwertsteuer steigen – gerade bei denjenigen, die angeblich entlastet werden sollen. Das mindert die Kaufkraft und führt zu einem sinkenden Arbeitsanreiz. Für viele lohnt sich ein Vollzeitjob nicht mehr, weil der Staat ihnen zu viel vom Lohn wegnimmt. Dies fördert weniger Arbeit, mehr Freizeit und erhöhten Druck auf die Zuwanderung. Zugleich leidet aber auch die Innovationskraft der Schweizer Wirtschaft und die Wettbewerbsfähigkeit erodiert zusehends. Das ist definitiv ein Spiel mit dem Feuer für alle in unserem Land.

Dringender Handlungsbedarf

Die Politik muss jetzt umdenken. Wir brauchen keinen weiteren Leistungsausbau zulasten kommender Generationen mit immer neuen Zusatzfinanzierungen, sondern echte Reformen mit dem primären Ziel, das erreichte Leistungsniveau zu erhalten. Schon das ist ein Kraftakt. Sonst droht die Schweiz in eine „Nach-uns-die-Sintflut“-Mentalität abzurutschen. Das ist gefährlich für den Standort und den Wohlstand unseres Landes. Nebst den aktuellen Diskussionen um einen weiteren Leistungsausbau in der AHV ein weiteres Beispiel: Die Invalidenversicherung schuldet der AHV immer noch 10 Milliarden Franken. Entgegen den Zusagen des Bundesrats ist ein Schuldenabbau aus eigener Kraft nicht in Sicht. Auch hier will der Bundesrat gemäss seinen ersten Vorstellungen vor allem mit höheren Abgaben finanzieren. Das ist keine Lösung.

Mit einer Interpellation habe ich auf diese für unser Land fatale Entwicklung aufmerksam gemacht und den Bundesrat aufgefordert, diesem scheinbar unaufhaltsamen Trend mit konkreten Massnahmen entschieden entgegenzutreten. Höchste Zeit, das Visier der Politik endlich wieder klar auszurichten.

Fazit

Der schlanke Schweizer Staat als Garant von Wohlstand und Innovationskraft scheint Geschichte. Die Fiskalquote steigt – und mit ihr die Belastung für Bürger und Unternehmen. Wer den Wohlstand der Schweiz erhalten will, muss dieser Entwicklung entschlossen entgegentreten. Immer mehr Steuern und Abgaben sind keine Lösung. Statt in wechselnden Koalitionen Geschenke an Wähler zu verteilen, braucht es Mut zu Reformen. Nur so bleibt die Schweiz ein attraktiver und wettbewerbsfähiger Wirtschaftsstandort und ein fairer Sozialstaat für alle Generationen.