Licht Bundeshaus

Zwei neue Bundesrätinnen und viel Aussenpolitik

  • 17. Dezember 2018
  • 7 min Lesezeit
  • Sessionsbericht - Wintersession 2018
  • Vernetzte Welt
    Zuversicht

Die Wahl der neuen Bundesrätinnen und die anschliessende Departementsverteilung waren Themen, die im ganzen Land für viel Gesprächsstoff sorgten. Das Tagesgeschäft ging aber trotzdem in gewohnter Manier weiter mit wichtigen Themen wie dem Finanzausgleich und der Flüchtlingskonvention.

Wenn der freiwerdende Sitz eines zurückgetretenen Bundesrates oder einer Bundesrätin neu besetzt werden muss, ist dies das zentrale Thema einer Session. Erst recht wenn es gleich zwei Magistratspersonen zu ersetzen gilt. Gemessen aber an all den Spekulationen, die vor der Session die Zeitungsspalten und Sendeflächen von Radio und Fernsehen einnahmen, verlief dann die Ersatzwahl für Bundesrätin Leuthard und Bundesrat Johann Schneider-Ammann doch überraschend ruhig. Vor allem als Karin Keller-Sutter ihre Kandidatur bekannt gab, war das Rennen in unserer FDP praktisch gelaufen. Denn für uns Freisinnigen war es wirklich an der Zeit, 30 Jahre nach dem erzwungenen Rücktritt von Elisabeth Kopp wieder mit einer Frau in Landesregierung vertreten zu sein. Dass sich Kollege Wicki aus Nidwalden dennoch zu einer Kampfkandidatur entschloss, freute mich, wollte er doch Unmögliches möglich machen.

Mit dem Wallis ist ein Bergkanton im Bundesrat vertreten

Etwas anders sah es bei der CVP aus, die während den letzten 12 Jahren mit einer Frau im Bundesrat vertreten war. Aber auch hier winkten fast alle Männer ab, bis auf Kollege Hegglin aus Zug. Er verlor aber bereits die erste Runde des Ausscheidungsrennens, was dazu führte, dass die CVP gleich zwei Kandidatinnen präsentieren konnte. Dass Viola Amherd das Rennen dann schon im ersten Wahlgang für sich entschied, darf mit Fug und Recht als kleine Überraschung gewertet werden, hatten doch verschiedene Medien den Ruf der neuen Bundesrätin mit teils heftigen Attacken in Zweifel zu ziehen versucht. Aber es zeigte sich wieder einmal, dass es ausserordentlich schwer ist, in die Landesregierung gewählt zu werden, wenn man nicht eine gewisse Zeit im Parlament politisiert hat. Das musste die Urnen Regierungsrätin Heidi Zgraggen auf fast brutale Art erleben, war sie doch von gewissen Medien zur Geheimfavoritin hochgeschrieben worden. Wie Hans Wicki verdient auch Heidi Zgraggen Anerkennung und Dank für ihr grosses Engagement.

Die grosse Rochade bei der Departementsverteilung

Nicht ganz so reibungslos wie die Wahl von Viola Amherd und Karin Keller-Sutter verlief dann die Verteilung der Departemente, dies insbesondere deshalb, weil Justizministerin Sommaruga nach acht und Verteidigungsminister Parmelin nach nur drei Jahren, neue Herausforderungen im Bundesrat suchten. Aus diesem etwas holperigen Start aber bereits Rückschlüsse auf die kommende Zusammenarbeit innerhalb der Landesregierung zu schliessen, scheint mir etwas voreilig. Auf jeden Fall biete die neue und weiblichere Zusammensetzung des Bundesrates sicher auch die Chance, ein gewisses Formtief zu überwinden.

Bundesrat muss Formtief überwinden

Mit Formtief meine ich, dass der Bundesrat gerade bezüglich einiger wesentlichen aussenpolitischen Entscheide ärgerliche Niederlagen einstecken musste. Gerade in fünf Fällen akzeptierte das Parlament Entscheide des Bundesrates nicht und entzog ihm sozusagen die letztendliche Entscheidung, allein in dieser Session in deren vier. Dabei ist eigentlich allen klar, und die Bundesverfassung hält das auch ausdrücklich so fest: Aussenpolitik ist Sache des Bundesrats.

In den letzten Jahren hat sich aber eingebürgert, dass er bei wichtigeren Entscheiden die beiden Aussenpolitischen Kommissionen des Parlaments konsultiert. Aber diese Konsultationen reichen immer seltener. Zufall? Ich glaube eher, dass sich der Bundesrat zu wenig um die öffentliche Meinung gekümmert hat, dass er sowohl beim Rahmenabkommen mit der Europäischen Union und der Kohäsionsmilliarde als auch beim Migrationspakt und beim Atomwaffenverbot den Puls des Volkes nicht mehr gespürt und sich zu sehr auf die formalen Kompetenzen berufen hat. Dabei ist eines unbestritten, dass der Bundesrat eine Führungsrolle und diese Führungsverantwortung auch wahrnehmen soll. Aber er muss so agieren, dass seine Entscheide vom Volk auch verstanden werden, damit sie innenpolitisch abgestützt sind. Denn, wie der Bundesrat in der letzten Zeit immer wieder betont hat, Aussenpolitik beginnt bei der Innenpolitik.

Wenn es der Bundesrat verpasst, gerade in den sensiblen Bereichen wie dem Verhältnis zur Europäischen Union oder beim Migrationspakt nicht frühzeitig das Feld der öffentlichen Diskussion zu besetzen, füllen andere dieses Feld, oft mit Polemik. Das macht es besonders schwer, Sachlichkeit in emotional aufgeladene Themenbereiche zu bringen. Und genau das kann der Landesregierung nicht egal sein, die stets für eine offene und solidarische Schweiz eingestanden ist. Denn Aussenpolitik ist auch immer Reputationspolitik. Schon deshalb müsste unserer Regierung sehr daran gelegen sein, das Terrain in wichtigen Fragen frühzeitig zu besetzen und somit den Ton der Debatte zu bestimmen. Nur dann wird sie ihrer Führungsverantwortung auch gerecht.

Genfer Flüchtlingskonvention – Vorstoss war erfoglreich

Ein ganz wichtiges Thema ist mir die Genfer Flüchtlingskonvention, die aus dem Jahr 1951 stammt und im Inhalt wie in der Form noch sehr dem Denken der ersten Nachkriegsjahre entspricht. Mittlerweile haben sich die Verhältnisse aber ganz entschieden geändert. Insbesondere kommt es heute zusehends zu einer Vermischung von eigentlichen Flüchtlingen mit Arbeitsmigranten, also mit Menschen, die ihre Heimat aus wirtschaftlichen Gründen verlassen, um anderswo eine bessere Zukunft zu finden. Diese Vermischung macht es denn auch mehr und mehr Länder einfach, sich ganz aus der Flüchtlingspolitik zu verabschieden. Das kann nicht der Sinn der Flüchtlingskonvention sein. Ich meine, die Weltgemeinschaft täte gut dran, diese Situation klar zu analysieren und die Flüchtlingskonvention wieder zu einem griffigen Instrument zu machen. Ich bin deshalb sehr erfreut, dass der Bundesart mein Postulat angenommen hat, auch wenn er in seiner Antwort gleich einschränkend betont, dass die Schweiz als Depositarstaat der Genfer Konvention eine besondere Verantwortung habe.

Fehlanreize im nationalen Finanzausgleich betrifft Luzern

Wenn schon von einer solidarischen Schweiz die Rede ist, dann gibt es wohl kein aussagekräftigeres Thema dafür wie den Lastenausgleich. Dabei geben wohlhabendere Kantone etwas von ihrem Reichtum an die ärmeren ab. Das Erfolgsmodell Lastenausgleich muss aber ständig auf seine Realitätstauglichkeit geprüft werden. Gerade der Kanton Luzern, der in den letzten Jahren dank grossen Anstrengungen zunehmend zu einem attraktiven Wirtschaftsstandort geworden ist, kann ein Lied davon singen, wie sich diese Anstrengungen aufgrund von Fehlanreizen das Gegenteil bewirken. So kam es, dass der Kanton Luzern heute in der ungemütlichen Situation ist, mehr an den Lastenausgleich zu bezahlen, als er im Bereich der Unternehmenssteuer zusätzlich einnimmt. Der Luzerner Kantonsrat hat denn auch eine Standesinitiative eingereicht, um entsprechende Fehlanreize zu eliminieren. Das Anliegen von Luzern wurde in der entsprechenden Kommission aufgenommen und in der letzten Session auch vom Ständerat korrigiert. Wermutstropfen dabei ist einzig die mit acht Jahren etwas arg lang angesetzte Übergangsfrist. Aber wie heisst es so schön, lieber spät als gar nie.

Schliesslich möchte ich Sie noch auf einen Vorstoss hinweisen, den ich diese Session eingereicht habe. Es geht um den Themenbereich Landwirtschaft versus Freihandel. Dass der Bundesrat in seinem Vorschlag einer Agrarpolitik 22+ den Agrarfreihandel nicht aufgenommen hat, ist folgerichtig und entsprechend mehrerer Vorstösse, die das Parlament an die Regierung überwiesen hat. Dies darf meiner Meinung aber nicht dazu führen, dass Freihandel künftig gar nicht mehr möglich sein sollte. Mit meiner Interpellation will ich von der Landesregierung Auskunft, wie sie sich künftig diesem Thema zu stellen gedenkt.

Und last but not least

Sehr zu meiner Freude haben mich am Donnerstag nach den Bundesratswahlen 40 Personen der FDP.Die Liberalen Wahlkreis Entlebuch besucht. Nach Kaffee und Gipfeli, verfolgte die Gruppe die Debatte im National- und Ständerat. Nach einer ausführlichen Besichtigung standen die Nationalräte Albert Vitali, Peter Schilliger und ich Red und Antwort. Beim gemeinsamen Mittagessen wurde weiter politisiert.

Und ein kleiner Wermutstropfen

Jede Session kennt leider auch Momente, in denen man sich alles andere als freut. Für einen solchen Moment hat in dieser Wintersession der Bundesrat gesorgt, indem er auf Antrag von Bundesrätin Leuthard die Teilrevision der Kernenergieversorgung in Kraft gesetzt hat. Für mich ist schlicht inakzeptabel. Erstens liegt die Frage der Grenzwerte noch beim Bundesgericht zur Beurteilung, zweitens sind die Reaktionen in der Vernehmlassung zu dieser Teilrevision sehr kritisch ausgefallen. Drittens, und das finde ich am stossendsten, hat sich der Bundesrat mit diesem Entscheid in geradezu flagranter Weise über das Parlament hinwegsetzt. Fast so, als gäbe es das Parlament nicht. Denn dieses Parlament hat im Frühjahr ein Postulat von mir diskutiert und an die zuständige Kommission überwiesen. Damals sagte die zuständige Departementsvorsteherin: „Wenn das für Sie ein Weg ist, dann können wir das in der Kommission gerne darlegen und erklären. Für mich ist das kein Problem.“ Unsere Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie hat Frau Leuthard angehört und trotzdem im November ein eigenes Postulat eingereicht. In der Junisession hat Frau Leuthard ihr Votum mit den Worten geschlossen, man könne gerne einen zusätzlichen Bericht machen, „aber er bringt der Politik wahrscheinlich nicht viel.“ Im Nachhinein und mit dem jetzigen Bundesratsentscheid bekommt dieser Satz plötzlich eine ganz andere, ja fast zynische Bedeutung. Aber Frau Leuthard dürfte sich täuschen. Denn eines ist klar, die Sache ist noch vom Tisch.