Wichtig, unabhängige Stimmen zu haben
- 03. März 2022
- 3 min Lesezeit
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Vernetzte Welt
Mitten in den kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine muss sich das Parlament mit einem zusätzlichen aussenpolitischen Thema befassen. Im Rahmen der Frühlingssession geht es um den temporären Einsitz der Schweiz in den UNO-Sicherheitsrat. Der Seetaler Damian Müller (FDP) gehört der aussenpolitischen Kommission des Ständerates an. Von Ernesto Piazza
Damian Müller, Sie waren die vergangenen zwei Jahre Präsident der aussenpolitischen Kommission des Ständerates und befürworten die Kandidatur für einen temporären, zweijährigen Sitz der Schweiz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UNO). Warum macht das in Ihren Augen Sinn?
Damian Müller: Gerade für einen neutralen Staat wie die Schweiz und in Zeiten, wie wir sie aktuell erleben, ist ein solcher Schritt sinnvoll. Denn unser Land geniesst den Ruf eines neutralen und unabhängigen Staates ohne koloniale Vergangenheit und ohne geopolitische Interessen. So können wir uns glaubhaft für Frieden und Völkerrecht einsetzen.
Die SVP beispielsweise, aber mittlerweile auch Politiker anderen Couleurs, bekämpfen einen Beitritt. Sie sehen Friktionen in Bezug auf unsere Neutralität. Können Sie diese ausschliessen?
Ich sehe kein neutralitätspolitisches Problem darin, sich für Frieden und die Einhaltung des Völkerrechts einzusetzen, namentlich nicht in einer Organisation, wie der UNO, die ja alle Länder der Welt umfasst. Da stelle ich mich ganz klar hinter den Bundesrat, der sagt: Einem Aggressor in die Hände zu spielen, ist nicht neutral.
Glauben Sie tatsächlich, die Stimme der Schweiz wäre im UNO-Sicherheitsrat bei Konflikten genug gewichtig, zur de-Eskalation beizutragen?
Ja, auf jeden Fall.
Warum?
Ich konnte bei meinem Besuch in New York im vergangenen Oktober feststellen, dass die Schweiz in der UNO eine ausserordentlich grosse Glaubwürdigkeit hat. Sie ist kein machtpolitischer Player, sie hat – wie erwähnt – keine geopolitischen Interessen. Dazu kommt noch eines: Die Schweiz hat eine grosse Erfahrung mit Kompromissen und ist damit als Brückenbauer sehr geschätzt.
Wie zeigt sich das?
Beispielsweise darin, dass die Schweiz immer wieder wichtige Gremien in der UNO präsidiert hat und noch präsidiert. Wie etwa das zentrale Budget-Komitee, wo über den Einsatz der UNO-Gelder entschieden wird. Und damit über wesentliche Teile der UNO-Politik.
Der UNO-Sicherheitsrat hat sich zum Ziel gesetzt, «den Frieden
zu sichern und die Sicherheit zu gewährleisten». Trotzdem kommen die Mitglieder nicht darum herum, auch zu heiklen Themen wie den aktuellen kriegerischen Aktivitäten Stellung zu beziehen, abzustimmen. Wie ist das mit der Neutralität vereinbar?
Die Basis von UNO-Entscheiden ist immer das Völkerrecht. Dazu bekennen sich alle Staaten, auch die Schweiz. In diesem Sinne ist die Frage der Neutralität gar nicht tangiert. Die UNO entscheidet nicht über Krieg und Frieden.
Worüber denn?
Sie entscheidet über friedensbildende Massnahmen, zum Beispiel darüber, Friedenstruppen zu entsenden.
Beim Ukraine-Krieg vermochte der UNO-Sicherheitsrat nicht wirklich etwas zu bewirken, auch weil sich Russland und die USA gegenseitig neutralisierten. Das Resultat war jeweils, dass es kein Resultat gab. Wie sehr macht ein Sicherheitsrat dann Sinn, wenn er gerade in solch heiklen Missionen nicht wirklich imstande ist, etwas für Frieden und Sicherheit zu bewirken?
Natürlich ist die UNO nicht perfekt. Gerade das Vetorecht im Sicherheitsrat ist störend und müsste geändert werden.
Das Unperfekte kann aber nicht Argument sein, sich nicht zu engagieren. Im Gegenteil.
Was schlagen Sie dann vor?
Gerade weil die UNO nicht perfekt ist, weil gewisse Länder im Sicherheitsrat immer auch aus eigenen Interessen entscheiden, ist es wichtig, unabhängige Stimmen zu haben, die nicht den eigenen Interessen, sondern den gemeinsam gefassten Grundsätzen des Völkerrechts verpflichtet sind und diese immer wieder anmahnen.