Damian Müller | Ständerat

Von zähen Debatten und dunklen Nächten - Sessionsbericht Wintersession 2022

  • 18. Dezember 2022
  • 5 min Lesezeit

In der Wintersession sind wir bei den Beratungen um die berufliche Vorsorge einen ersten Schritt weitergekommen – aber wir sind noch lange nicht am Ziel. Zudem standen wichtige Geschäfte zur Kostensenkung aus dem Gesundheitsbereich auf der Traktandenliste. Gefreut habe ich mich, dass zwei Motionen von mir im Nationalrat gutgeheissen wurden. Und last but not least sorgten die Bundesratswahlen – wie immer – für grosse Emotionen.

Es war in diesem Jahr eine spezielle Wintersession – und das nicht, weil parallel dazu die Fussball-WM stattgefunden hat. Das Spezielle an der diesjährigen Adventszeit war, dass nur wenige Lichterketten und Christbäume die Dunkelheit der Berner Innenstadt erhellten. Als Folge der drohenden Strommangellage haben viele Geschäfte und Private auf eine Beleuchtung verzichtet.

Zeit, im Vorweihnachts-Modus zu schwelgen, blieb uns Parlamentarierinnen und Parlamentariern angesichts der zahlreichen Sachgeschäfte ohnehin nicht. Gleich zu Beginn der Wintersession stand die Reform der beruflichen Vorsorge auf der Agenda. Für mich war entscheidend, dass wir nach der knappen Annahme der AHV-Vorlage durch das Volk das Versprechen einlösen, vor allem schlecht verdienende und/oder teilzeitarbeitende Personen besserzustellen.

Ständeratsmodell verursacht sieben Mal höhere Kosten

Gelungen ist uns das leider nur teilweise. Eine Mehrheit im Ständerat hat sich beim Koordinationsabzug für eine neues Modell entschieden: Neu soll im obligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge 15 Prozent des AHV-pflichtigen Lohnes als Koordinationsabzug berechnet werden. Was nach diesem Abzug bleibt, ist die Lohnsumme, auf der die BVG-Beiträge erhoben werden, also die Lohnsumme, die versichert wird.  Das neue Modell wird für Arbeitnehmer und Arbeitgeber massiv teurer. Heute zahlen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf einem Einkommen von beispielsweise 30 000 Franken einen jährlichen BVG-Beitrag von 343 Franken. Künftig würde dieser Beitrag auf 2295 Franken ansteigen – er würde sich also beinahe versiebenfachen! Es war eine äusserst zähe Debatte, und ich hätte die Lösung bevorzugt, die der Nationalrat vorgeschlagen hat: Den Koordinationsabzug von heute etwas über 25’000 auf rund 12’500 Franken zu halbieren. Damit würden die gesetzten Leistungsziele ebenfalls erreicht, aber mit finanziellen Folgen für KMU, Gewerbe und Bauern, die für diese gerade noch verkraftbar wären.

Weil mit der Reform der Umwandlungssatz von 6,8 auf 6,0 Prozent gesenkt wird, bedeutet dies künftig eine tiefere Rente. Werden heute auf CHF 100’000 Alterskapital pro Jahr CHF 6800 lebenslänglich als Rente ausbezahlt, sind dies neu nur noch CHF 6’000. Einschneidend ist die Kürzung vor allem für jene, die kurz vor der Pensionierung stehen. Um diese Rentensenkungen zu vermeiden, sollen für die so genannte «Übergangsgeneration» spezielle Massnahmen greifen. Ich habe mich mit einem Minderheitsantrag dafür eingesetzt, dass wir auch für diese eine ausreichende Kompensation finden. Nur eine ausgewogene und faire Vorlage wird vor dem Volk eine Chance habe. Nur knapp bin ich mit meinem Antrag unterlegen. Die jetzt beschlossene Lösung reicht in meinen Augen nicht. Wir liefern den Linken damit eine Steilvorlage, diese wichtige Vorlage an der Urne zu bekämpfen. Ich hoffe, dass der Nationalrat hier nochmals nachbessert.

Kosten senken und Leistungen einheitlich finanzieren

Eine zweite gewichtige Vorlage stammte aus dem Gesundheitsbereich. Es geht um die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (Efas). Auch diese Beratungen waren zäh, und dies, obwohl seit langem bekannt ist, dass mit Efas massiv Kosten gespart werden können. Die Vorlage sieht vor, dass Krankenkassen und Kantone die Kosten von ambulanten und stationären Behandlungen, die von der Grundversicherung gedeckt werden, gemeinsam bezahlen. Heute werden ambulante Behandlungen allein von den Krankenkassen aus Prämiengeldern bezahlt. Stationäre Leistungen hingegen werden zu mindestens 55 Prozent von den Kantonen finanziert. Den Rest bezahlen die Kassen. Im Ständerat haben wir entschieden, auch die Langzeitpflege in diese Vorlage einzubeziehen. Das ist wichtig, um die Kantone mit ins Boot zu holen. Es braucht die Kantone, wenn diese Reform gelingen soll.

Kein «Kaufkraft-Deal» auf Kosten des Bundes

Froh bin ich, dass wir im Ständerat der Versuchung widerstanden haben, den Bundesbeitrag an die Prämienverbilligungen um 30 Prozent zu erhöhen, um die Kaufkraft zu stärken. Im Namen der Mehrheit war ich der Ansicht, dass die zu erwartenden Mehrkosten von über 900 Millionen Franken für den Bund nicht tragbar gewesen wären. Ich habe in meinem Votum darauf hingewiesen, dass wir mit einer Annahme nur die Inflation weiter angeheizt hätten.

Gleich zwei meiner Motionen gutgeheissen

Gefreut habe ich mich, dass zwei meiner Motionen aus dem Gesundheits- und Medizinaltechnik Bereich im Nationalrat angenommen wurden. Meine erste Motion begünstigt die Digitalisierung im Gesundheitswesen: Sie fordert, dass Ärztinnen und Ärzte Rezepte für Heilmittel digital ausstellen und übermitteln müssen. Der Nationalrat hat meine Motion «Elektronische Rezepte für Heilmittel. Bessere Qualität und höhere Patientensicherheit» an den Bundesrat überwiesen.

In der zweiten Motion forderte ich, dass künftig auch Medizinprodukte auf dem Schweizer Markt vertrieben werden können, die ausserhalb der EU zugelassen sind («Für mehr Handlungsspielraum bei der Beschaffung von Medizinprodukten zur Versorgung der Schweizer Bevölkerung»). Damit soll die Versorgung der Schweiz mit qualitativ hochwertigen und innovativen Medizinprodukten gesichert werden. Die Schweiz akzeptiert heute ausschliesslich Medizinprodukte gemäss dem Zulassungssystem der Europäischen Union (namentlich CE- oder MD-gekennzeichnete Produkte) für die nationale Versorgung. Das führt zu möglichen Versorgungslücken, denen wir angesichts der unsicheren Weltlage gezielt entgegentreten sollten.

Echter Kerzenschein und friedliche Festtage

Diese unsichere Weltlage und der anhaltende Krieg in der Ukraine trüben bei uns allen die Vorfreude auf die bevorstehenden Festtage. Doch ich hoffe, Sie können über Weihnachten Zeit mit der Familie und Freunden verbringen. Und sollten Sie den fehlenden Lichterketten nachtrauern: Zünden Sie eine Kerze an – Sie werden sehen, dass sich auch damit weihnächtliche Stimmung zaubern lässt. Ich wünsche Ihnen friedliche Festtage und einen guten Rutsch ins 2023.