Bundeshaus Bern

Mut zur Verantwortung

  • 08. Mai 2018
  • 4 min Lesezeit
  • Brief aus dem Ständerat
  • Solidarität

«Früher haben Politiker noch Verantwortung getragen. Heute tragen sie Anzüge von Boss und Armani.» Dieser Spruch zeigt ziemlich drastisch, wie belastet das Vertrauensverhältnis zwischen der Politik und der Bevölkerung heute ist.

Wenn das Vertrauen in die Politik fehlt, nimmt auch das Interesse ab, aktiv daran teilzunehmen. Wenn es uns nicht gelingt, diesen Trend zu ändern, verheisst das nichts Gutes für die Zukunft unserer direkten Demokratie. Denn sie lebt nur durch die Teilnahme der Bürgerinnen und Bürger. Nur, wenn wir das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen, können wir diesen Trend aufhalten.

Die Politik legt heute die Grundlagen, damit wir die Herausforderungen von Morgen bewältigen können und davon gibt es viele: Die Zuwanderung, die Veränderungen in der Arbeitswelt, die Sicherung eines würdigen Alters, die Finanzierung des Gesundheitswesens sowie der Erhalt einer intakten Natur sind nur einige Beispiele. Um Lösungen für diese Herausforderungen zu finden, stützen wir Politiker uns einerseits auf unsere Erfahrungen. Andrerseits dienen uns Expertisen und wissenschaftliche Berichte als willkommene Entscheidungshilfen.

Vertrauen ist nicht selbstverständlich

Je komplizierter und komplexer die Themen sind, umso wichtiger ist das Vertrauen. Wir Politiker müssen einerseits den Experten vertrauen, andrerseits brauchen wir das Vertrauen unserer Bürgerinnen und Bürger. Dieses Vertrauen ist heute leider nicht mehr unumstritten, im Gegenteil. Es ist zu einer eigentlichen Kampfzone im Alltag der politischen Auseinandersetzung geworden. Mit der verheerenden Folge, dass das Vertrauen noch mehr sinkt. Besonders deutlich zeigt sich das im Moment in der Aussenpolitik. Sie erinnern sich: Anfangs März hat Aussenminister Cassis die bundesrätliche Vorstellung präsentiert, wie die Landesregierung das angespannte Verhältnis zur Europäischen Union wieder auf eine solidere Basis stellen will. Dieser Plan wurde von den meisten Parteien recht positiv aufgenommen. Zwei Bemerkungen dazu fielen aber regelrecht aus dem Rahmen und lassen aufhorchen. Mit dem Satz, „Was wäre, wenn wir vor 75 Jahre einen solch biegsamen Bundesrat gehabt hätten?“ wurde unsere Landesregierung bewusst in eine nazifreundliche Ecke gestellt. Zudem fiel das Wort „Gaunersyndikat“ welches auf den Bundesrat, die Parlamentarier und die Bundesrichter gemünzt war.

Ständerat Damian Müller Platz

Politische Worte sind auch politische Taten

Nun könnte man sagen, das sind nur Worte, nichts als Worte. Aber so einfach ist es eben nicht. Politische Worte sind auch politische Taten, denn sie werden mit einer ganz klaren Absicht eingesetzt. Mit der Absicht nämlich, Andersdenkende zu verletzten, zu verunglimpfen und damit unglaubwürdig zu machen: Es geht darum, das Vertrauen in den politischen Gegner zu zerstören. Und ist das Vertrauen einmal angeschlagen oder gar zerstört, ist es auch die Handlungsfähigkeit dieser Politiker. Denn wie gesagt, ist Vertrauen das Grundkapital der Politik.

Mut zeigen und Verantwortung übernehmen

Glücklicherweise hat dieser Politstil den Ständerat noch nicht erreicht. Zwar wird auch hier mit harten Bandagen um Lösungen gekämpft, aber immer mit Stil. Hier geht es nicht darum, den politischen Gegner zu verletzen und ihn so kampfunfähig zu machen. Hier geht es darum, sachlich begründete gute Lösungen zu finden. So kommen meist recht respektable Mehrheiten zusammen, oft nicht einmal entlang der Parteilinien. Dies konnte man während zahlreichen Debatten in der letzten Session deutlich beobachten und so wird es aller Voraussicht nach auch in der kommenden Session sein, wenn einige harte Brocken auf der Traktandenliste stehen. Beispielsweise, wenn es darum geht, die Unternehmenssteuern neu zu definieren. Ein erster Versuch erlebte im letzten Jahr bekanntlich ein regelrechtes Debakel, wohl nicht zuletzt deshalb, weil das Vertrauen in die Argumente der Politik und der Wirtschaft fehlte. Nun hat der Bundesrat bekanntlich seine neuen Vorstellungen präsentiert. Was mich betrifft, sehe ich noch einiges an Verbesserungspotential. Es kann und darf meiner Meinung nach nicht sein, dass wir die Steuervorlage mit Kinderzulagen verzuckern, um sie für die Linken annehmbar zu machen. Wir müssen den Mut haben, eine wirkliche Steuervorlage auszuarbeiten und dann auch die Verantwortung dafür übernehmen.

Aus Verantwortung für das Geldspielgesetz

Zum Schluss nochmal zurück zum Vertrauen und zur Verantwortung. Wie Sie sicher wissen, haben die Delegierten meiner Partei die Nein-Parole zum Geldspielgesetz beschlossen, über das wir im Juni abstimmen. Dennoch erlaube ich mir, für die Annahme dieses Gesetzes zu werben. Nicht nur, weil ich im Ständerat wesentlich an seiner Ausgestaltung mitgearbeitet habe, sondern weil es mir am Herzen liegt, dass all die Vereine und Organisationen, die sich um sportliche, kulturelle und soziale Projekte kümmern, auch weiterhin mit den Erträgen aus dem Geldspiel entschädigt werden können. Allein in unserem Kanton sind es jährlich über 1800 solche Projekte. Weil ich diese Unterstützung für wichtig halte, übernehme ich die Verantwortung, eine andere Meinung zu vertreten als die meiner Partei. Weil mir das Vertrauen all jener Menschen, die sich tagtäglich für die Gesellschaft einsetzen, wichtig ist.

Damian Müller Bundeshaus
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