Damian Müller | Ständerat

Machen wir die Hausaufgaben im Inland – jetzt!

  • 25. Oktober 2022
  • 4 min Lesezeit
  • Vernetzte Welt

Unsere Welt steht Kopf: Das Machtgefüge zwischen Russland, China, USA und Europa verschiebt sich nachhaltig. Dass wir angesichts der drohenden Energiekrise unsere Abhängigkeit von russischem Gas einfach durch eine neue Abhängigkeit – etwa von den USA – ersetzen, ist für mich keine Lösung. Meine Gedanken dazu im Seetaler Bote und Willisauer Bote vom 25. Oktober.

Es braucht jetzt einen Investitionsschub in erneuerbare Energien, auch wenn das wirtschaftliche Umfeld für Investitionsprojekte nicht eben günstig ist: Die Zinsen steigen, die Gefahr einer Rezession wächst. Die Aussichten in der Schweiz sind zwar etwas besser als im übrigen Europa, aber auch wir spüren die Auswirkungen. Dennoch haben wir die Mittel und das Know-how für diesen Investitionsschub.

Engagement in der Kommission für Revision der zweiten Säule

Angesichts der globalen Herausforderungen müssen wir jetzt unsere Hausaufgaben im Inland machen und die strukturellen Probleme lösen. In der Altersvorsorge wurde mit dem Ja zur AHV-Reform ein erster Schritt gemacht. Nun muss ein zweiter Schritt folgen mit der Anpassung der Parameter in der beruflichen Vorsorge, dem BVG, an die demografische Realität. Aktuell engagiere ich mich deshalb in der vorberatenden Kommission des Ständerats als Vize-Präsident für einen tragfähigen Kompromiss. Der heutige garantierte Rentenumwandlungssatz – auf dem obligatorisch gebildeten Alterskapital müssen pro 100’000 Franken angespartem Alterskapital jährlich bis ans Lebensende 6’800 Franken Rente pro Jahr ausgerichtet werden – ist seit Jahren zu hoch. Deshalb «zwacken» wir mit jeder weiteren Pensionierung etwas vom Alterskapital der Jüngeren ab, was unter dem Aspekt des Generationenvertrags nicht länger haltbar ist. Dieser Rentensatz ist deshalb zu senken, was ohne Kompensationsmassnahmen jedoch zu Rentenkürzungen von bis zu zwölf Prozent führt, insbesondere für ältere Erwerbstätige. Zwei Eckwerte sind für mich deshalb entscheidend: Es darf erstens keine Einbussen geben für künftige Rentnerinnen und Rentner mit bescheidenen Renten. Zweitens dürfen die Gesamtkosten der Reform aber nicht ausufern, damit sie auch für die KMU-Wirtschaft sowie das Gewerbe und dessen Mitarbeitende mit häufig tieferen Löhnen verkraftbar sind.

Für die Beratung im Ständerat liegt eine gute Basis vor

Was unserer Kommission aus dem Nationalrat vorlag, war mehrfach ungenügend. Die Kommission hat deshalb gut daran getan, sich Zeit zu nehmen und das Geschäft nicht über das Knie zu brechen.

Was jetzt für die Diskussion im Ständerat im Dezember vorliegt, ist eine solide Basis. Dank verschiedener Modifikationen wird die Zielsetzung der Erhaltung des Rentenniveaus auch für Erwerbstätige, die nicht mehr weit von der Pensionierung weg sind, weitgehend erreicht: Es wird keine gravierenden Renteneinbussen für Versicherte mit künftigen Renten unter 2000 Franken geben. Für letzte notwendige Korrekturen zugunsten der Übergangsgeneration – betroffen sind vor allem auch Frauen – werde ich mich in der Wintersession aber nochmals einsetzen.

Zudem überzeugt der Vorschlag der Kommission auch anderswo noch nicht vollständig, damit die Revision auch vor dem Volk bestehen kann. Deshalb fordere ich mit einem Minderheitsantrag einen langfristig weniger weit gehenden Leistungsausbau, weil dieser gemäss Kommissionsmehrheit die Einkommen von Arbeitnehmerinnen mit tieferen Einkommen zu stark reduzieren würde und gleichzeitig zu hohe Kosten für KMU und Gewerbe bedeuten würde.

Strukturelles Problem im Energiebereich lösen

Einer inländischen Lösung harrt auch ein anderer Brocken: Die Energiefrage. Als Folge der globalen Unsicherheit geht die Angst vor einem eisigen Winter um. Allerdings ist Hysterie fehl am Platz. Bereits in der Herbstsession haben wir Entscheidungen getroffen, die das Schlimmste verhindern sollen. Im Notfall soll ein Rettungsschirm grosse Energieversorger handlungsfähig halten. Stromunternehmen, die wegen der volatilen Energiepreise in einen Liquiditätsengpass gelangen, können ein Darlehen des Bundes beanspruchen. Und im Ständerat haben wir das Gesetz für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien vorangebracht.

Natürlich würde auch ich mir wünschen, schon jetzt absolute Sicherheit für die kommenden Monate zu haben. Trotzdem ist es wichtig, dass wir uns nicht zu stark nur von den Bedürfnissen des nächsten und übernächsten Winters leiten lassen. Wir haben ein strukturelles Problem im Energiebereich, das wir auch langfristig lösen müssen. Mit einer weiteren Vorlage wird deshalb die Versorgungssicherheit der Schweiz auch mittel- und längerfristig gestärkt. Mit der Verabschiedung des indirekten Gegenvorschlags zur Gletscher-Initiative ist zudem der Weg frei für die finanzielle Förderung langfristiger Investitionen in die Klimaneutralität.

Den Kopf nicht in den Sand stecken

Natürlich ist die Lage ernst, aber wir befinden uns nicht zum ersten Mal in turbulenten Zeiten. Schon die Generationen vor uns hatten mit Widrigkeiten zu kämpfen. Mit ruhigem Geist und entschlossenem Handeln überwinden wir auch die aktuellen Herausforderungen.