Damian Müller | Ständerat

Jetzt Prioritäten setzen

  • 17. August 2020
  • 4 min Lesezeit
  • AHV21 - Blogbeitrag
  • Solidarität

Es ist allen klar, wir müssen die AHV, unser einzigartiges Sozialwerk, langfristig auf stabile Füsse stellen. Doch vordringlich ist jetzt, die Finanzierung der Renten auf dem heutigen Niveau kurzfristig zu sichern.

Es ist eine traurige Tatsache: Seit Jahren verschlechtert sich die finanzielle Lage unserer Alters- und Hinterlassenenversicherung schleichend, die wir weitblickenden Politikern zu verdanken haben. Vor gut 75 Jahren haben sie mit der Lancierung der AHV die Schweizer Politik wesentlich und nachhaltig mitgestaltet. Leider sind verschiedene Reformversuche in den letzten Jahren an der Urne gescheitert. Den einen gingen die Vorschläge zu weit, den andern reichten sie nicht aus. Ein kleiner Durchbruch und damit einen Lichtblick in die festgefahrene Debatte um die AHV-Reform brachte vor einem Jahr die kombinierte Steuerreform und AHV-Finanzierungsvorlage. Mit der sogenannten STAF-Vorlage beschloss das Stimmvolk einerseits eine Reform der Unternehmenssteuer, andrerseits eine zusätzliche und jährlich wiederkehrende Einlage in die AHV von 2 Milliarden Franken. Damit wollte man Zeit gewinnen, um einen weiteren seriösen Anlauf für die Reform der AHV zu starten. Im Wissen, dass dies der erste von drei Schritten war.

Doch dann kam Corona

Mit Corona kamen wirtschaftliche und finanzielle Auswirkungen, deren Ausmass wir auch ein gutes halbes Jahr nach Ausbruch der Pandemie nicht wirklich abschätzen können. Zwar haben sich die Finanzmärkte für den Moment einigermassen erholt und die kurzfristigen massiven Verluste wettgemacht. Wie nachhaltig diese Erholung aber ist, bleibt offen. Unklar ist vor allem aber auch, wie sich die Realwirtschaft und damit auch der Arbeitsmarkt entwickeln werden. Sicher ist: weltweit ist der wirtschaftliche Einbruch so massiv, dass auch die Schweiz selbst dann nicht ohne negative Folgen durch die Krise kommt, wenn die Binnenwirtschaft an und für sich gut unterwegs sein sollte. Ein zumindest branchenweise starker Stellenabbau wird den Arbeitsmarkt mehr oder weniger stark tangieren. Und das wiederum bedeutet, dass die Einzahlungen in die AHV sowohl von Arbeitgeber- wie auch von Arbeitnehmerseite zumindest vorübergehend rückläufig sein werden. Damit ist klar: Trotz der STAF-Finanzspritze von zwei Milliarden pro Jahr müssen wir in den kommenden Jahren durchgängig mit negativen Umlageergebnissen rechnen. So sieht es auch der Bundesrat. Und sollte die Börse krachen, wäre das etwas wie der Super-Gau für unser wichtigstes Sozialwerk, die AHV, als auch die gesamte Altersvorsorge.

Zuerst das Wichtige, dann das Nötige

Was wir jetzt brauchen, ist eine rasche und klare Finanzierung der Renten auf heutigem Niveau. Eine entsprechende Vorlage muss beitrags- und leistungsseitig ausgewogen sein, will sie mehrheitsfähig sein und den Test an der Urne dereinst auch bestehen muss, weil die Finanzierung via Mehrwertsteuer zwingend zur obligatorischen Volksabstimmung führt. Der bundesrätliche Vorschlag ist dafür eine gute Grundlage, auch wenn er meiner Ansicht nach das Gebot der Ausgewogenheit noch nicht erfüllt. Was die Beitragsseite angeht, ist insbesondere die Mehrwertsteuer in der Vorlage entschieden zu hoch angesetzt. Gerade in dieser Hinsicht dürfen wir nicht überborden, denn eine zu hohe Mehrwertsteuer wirkt sich negativ auf den Inlandkonsum aus, was in der Nachcoronazeit verheerend wäre. Dies rechtfertigt allerdings nicht die Idee aus dem politisch linken Spektrum, Geld von der Nationalbank in die AHV umzuleiten Leistungsseitig ist uns allen klar: Der Zeitpunkt für eine Angleichung des Rentenalters von Mann und Frau ist definitiv gekommen. Dass dies aus politischen Gründen nicht ohne Ausgleichsmassnahmen geht, liegt auf der Hand. Gut und gerecht ausgestaltete Massnahmen für die schrittweise Anhebung des Rentenalters sind für die direkt betroffenen Frauen unabdingbar. Bei dieser kleinen, aber zwingenderweise raschen Revision kann es aber nicht bleiben. Wir verschaffen uns damit lediglich eine Verschnaufpause. Die gewonnene Zeit müssen wir anschliessend unter allen Umständen nutzen, um die strukturelle Revision, also den dritten und anforderungsreichsten Schritt in der Strategie zur nachhaltigen Sicherung unserer AHV, an die Hand zu nehmen. Denn auch nach 2030 reisst die erst dann erfolgende Spitze der Pensionierung der Babyboomer noch einmal ein zusätzliches Milliardenloch in die Kasse der AHV. Nur mit einem dritten strukturellen Reformschritt nach Mitte der 2020-er Jahre wird es uns gelingen, das von unseren Vätern geerbte grandiose Sozialwerk nachhaltig für die Zukunft zu sichern.

Damian Müller | Ständerat

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