Damian Müller | Ständerat

Herausforderungen in der beruflichen Vorsorge

  • 12. Juni 2023
  • 3 min Lesezeit

Mit der BVG-Reform sollen strukturelle Probleme gelöst werden. Ob dies gelingt, wird am Ende das Stimmvolk entscheiden. Ein Beitrag in der Sonntagszeitung von Josef Zopp, Gaby Syfrig und mir.

Mit einer gezielten Reform wollte Bundesrat Alain Berset die berufliche Vorsorge zukunftsfähig machen. Nach intensiven Verhandlungen einigten sich der Arbeitgeberverband und der Gewerkschaftsbund auf eine Lösung. Umgehend nach der Verabschiedung wurde aber von linker Seite und den Gewerkschaften das Referendum ergriffen. Auch auf bürgerlicher Seite weht der Vorlage teilweise eine steife Brise entgegen. Zentraler Punkt ist die Senkung des Umwandlungssatzes. Die steigende Lebenserwartung verbunden mit einem längeren Rentenbezug verdeutlicht, dass der Umwandlungssatz von 6,8 Prozent auf 6,0 Prozent gesenkt werden muss. Ohne diese Reduktion wird mit jeder Pensionierung ein Teil des Kapitals der aktiven, beitragszahlenden Versicherten «angeknabbert». Auch wenn aufgrund der Zinsenwende das Problem etwas entschärft wird, bleibt es im Grundsatz bestehen. Mit der Reduktion des Mindestumwandlungssatzes sinken auch die Renten jener Versicherten um rund 13 Prozent, die nur über eine minimale gesetzliche Lösung der beruflichen Vorsorge verfügen.

Rentensenkung abfedern

Konsens herrschte in Bundesbern über alle Parteien hinweg lange, dass eine Rentensenkung für Versicherte mit kleinen Renten abgefedert werden muss. Eine Kompensation soll mittels Massnahmen wie einer Anpassung der prozentualen Lohnbeiträge und der Ausweitung desjenigen Anteils des Lohnes, der versichert wird, erfolgen. Das Instrument dafür ist die Anpassung des «Koordinationsabzuges». Damit die Leistungen der ersten Säule (AHV) und zweiten Säule (Pensionskasse) koordiniert sind, reduziert sich der versicherte Lohn um den gesetzlichen Koordinationsabzug (aktuell 25 725 Franken). Die Koordination der beiden Sozialversicherungen führt dazu, dass in der zweiten Säule nicht der ganze Lohn versichert ist. Die Leistungen der beruflichen Vorsorge sollen im Rahmen der obligatorisch zu versichernden Einkommen bis zur Höhe von rund 88 000 Franken zusammen mit den Renten der AHV den gewohnten Lebensstandard ermöglichen, also rund sechzig Prozent des letzten Lohnes ausmachen. Im politischen Hick-Hack spalteten sich die Vorstellungen zur Höhe des Koordinationsabzuges. Schlussendlich einigte man sich auf einen flexiblen Wert von zwanzig Prozent des Jahreslohnes. Personen, die kleinere Einkommen haben oder Teilzeit arbeiten, sollen dadurch mehr Geld für die berufliche Vorsorge sparen.

Massiv höhere Kosten für KMU

Eine neue Staffelung der gesetzlichen Altersgutschriften soll den Kapitalbildungsprozess in der beruflichen Vorsorge vereinfachen. Unter demStrich resultieren aus diesen Entscheidungen massiv höheren Kosten für viele KMU und deren Mitarbeitende. Gerade bei tiefen Einkommen würden sich die heutigen Lohnbeiträge teilweise vervielfachen. Aufgrund der entstehenden Renteneinbussen für ältere Erwerbstätige wurde zudem eine 15 Jahre dauernde Übergangsgeneration definiert, die mit Zuschüssen einen Ausgleich zumErhalt des heutigen Rentenniveau erhalten. Während das Parlament beim Koordinationsabzug weit über den Kompromiss der Sozialpartner hinausging, wurde für die sogenannte Übergangsgeneration (Versicherte im Alter ab 50 Jahren) eine bescheidenere Lösung gewählt. Insgesamt hat das Parlament die gesteckten Ziele mindestens teilweise verfehlt. So führt die Senkung des Mindestumwandlungssatzes zwar theoretisch zur beabsichtigten Reduktion der Quersubventionierung von Jung zu Alt, um sie aber durch den Ausbau des Obligatoriums auf einer immer noch falschen Basis durch die schlagartige Senkung des Koordinationsabzuges gleich wieder zu erhöhen. Unter dem Strich dürfte damit für die Verbesserung der Generationengerechtigkeit wenig bleiben. Eine ausgewogene Balance zwischen den Mehrkosten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer und wirksamen Verbesserungen für Teilzeitbeschäftigte wurde verpasst. In der Realität wird für die meisten Teilzeitbeschäftigten eine faire Altersvorsorge auch in Zukunft vom Goodwill ihrer Arbeitgeber abhängen. Es wird sich am Abstimmungssonntag weisen, ob die geplanten Massnahmen einer Mehrheit schmackhaft gemacht werden können. Zweifel sind angebracht.