Damian Müller | Ständerat

Gestalten statt verwalten! - Rückblick Wintersession 2024

  • 23. Dezember 2024
  • 6 min Lesezeit

Das zentrale Geschäft der Wintersession war die Budgetdebatte. Auch die Themen Eigenmietwert, KITA-Finanzierung, Stromproduktion und Asyl beschäftigten National- und Ständerat die letzten drei Wochen in Bundesbern. Meinerseits habe ich einen Vorstoss eingereicht, der den Schutz von Frauen in der Prostitution, respektive den Handlungsbedarf in der Schweiz klären soll.

Schuldenbremse konformes Budget genehmigt

Die budgetierten Bundesausgaben betragen insgesamt 86.5 Milliarden, die Einnahmen 85.7 Milliarden. Nach harten Verhandlungen und einem Pingpong zwischen den Räten verständigten wir uns im Bundeshaus auf das Budget 2025. Mir war es während der Ausmarchung des schuldenbremsenkonformen Bundeshaushaltes wichtig, dass es bei keinem Aufgabenbereich zu einem kurzfristigen und unüberlegten Kahlschlag kommt. Der Staat hat verschiedene Aufgaben, die er wahrnehmen und erfüllen muss, und dies stetig. Die Frage ist jedoch übergeordnet: wie viele Mittel soll pro Themenbereich aufgewendet werden? Welches sind die richtigen Prioritäten in der sinnvollen Reihenfolge? Im Wissen darum, dass die Schweiz ab 2027 ein strukturelles Defizit von rund 3 Milliarden Franken pro Jahr schreiben dürfte ohne Gegensteuer, müssen wir uns als Gesellschaft vertieft Gedanken darüber machen, welches die Kernaufgaben des Staates sind, und wo sich der Staat auch etwas zurücknehmen kann.

Eigenmietwert – Totgesagte leben länger

Grundsätzlich waren sich die politischen Parteien schon lange einig: Der Eigenmietwert gehört abgeschafft. Um die beste Variante zur Abschaffung des ungeliebten Eigenmietwertes wurde aber lange gerungen. Die Differenzen zwischen Stände- und Nationalrat waren beträchtlich. Umstritten war vor allem, ob Erst- und Zweitwohnungen oder nur Erstwohnungen von der Eigenmietwertbesteuerung ausgenommen werden sollen und wie die steuerlichen Abzugsmöglichkeiten für Schuldzinsen im Falle einer Abschaffung ausgestaltet werden sollen. Schliesslich setzte sich die Variante des Nationalrates durch. Der Eigenmietwert soll für Erst- und Zweitwohnungen abgeschafft werden. Die Kantone sollen aber die Möglichkeit erhalten, die durch die Abschaffung des Eigenmietwerts entstehenden Mindereinnahmen durch eine neue Liegenschaftssteuer zu kompensieren. Zudem soll der Schuldzinsabzug eingeschränkt werden. Doch bis die Abschaffung des Eigenmietwerts tatsächlich greift, ist es noch ein weiter Weg. Die neue Objektsteuer ist dem obligatorischen Referendum unterstellt, da es sich um eine Verfassungsänderung handelt. Für die Einführung braucht es also ein Ja von Volk und Ständen. Angesichts der teilweise grossen Skepsis aus verschiedenen Lagern dürfte dies eine hohe Hürde sein. Alle diese Kreise mögen legitime Interessen haben. Im Zentrum steht jedoch schon die Frage: was macht Sinn für unsere Bürgerinnen und Bürger? Experten sind der Auffassung, nicht zuletzt aufgrund des Fehlanreizes der Eigenmietwertbesteuerung habe die Schweiz eine so massive Pro-Kopf-Verschuldung, die weltweit ihresgleichen sucht. Für Rentnerinnen und Rentner wird die aufgrund der Marktentwicklungen stetig steigende Last des Eigenmietwerts zu einem immer grösseren Problem. Es gibt deshalb sehr wohl gute Gründe, die verschiedene kritische Kreise zum Nachdenken bewegen sollten, ob ihr Fokus auf ihre eigenen Interessen nicht auch längerfristig zu einem Bumerang werden könnten. Es gibt sehr gute Gründe, diese Vorlage nun zu unterstützen.

Asylrecht wahren – Glaubwürdigkeit stärken

Asylgesuche von Menschen aus den Maghreb-Staaten Marokko, Algerien, Tunesien oder Libyen haben einen schweren Stand. Von Januar bis September 2023 wurden nur 9 von 1485 Gesuchen gutgeheissen! Die restlichen 1476 Menschen mit abgelehnten Gesuchen bleiben jedoch oftmals trotzdem in der Schweiz. Parallel dazu explodierte die Anzahl von Delikten, die von Menschen aus diesen Staaten verübt werden. Während die Schweiz seit 2006 über ein Rückübernahmeabkommen mit Algerien und seit 2012 über ein Abkommen über die Zusammenarbeit im Migrationsbereich mit Tunesien verfügt, hat die Schweiz kein Rechtsinstrument, um marokkanische Staatsangehörige in ihr Herkunftsland zurückzuführen. In einer Motion forderte ich, dass unverzüglich Verhandlungen über ein Rückübernahmeabkommen mit Marokko aufgenommen werden. Diese Motion wurde nach dem Ständerat nun auch im Nationalrat angenommen. Der Bundesrat muss nun Verhandlungen mit Marokko aufnehmen. Ziel ist es, den Vollzug der Wegweisung zu erleichtern, insbesondere zwangsweise Rückführungen per Sonderflug sowie die Möglichkeit von Rückführungen auf dem Seeweg. Damit wird das Asylgesetz durchgesetzt und die Glaubwürdigkeit in das System gestärkt.

Schutz von Frauen in der Prostitution

«Europas Sex-Hauptstadt» titelte ein britisches Blatt Anfang Jahr mit Bezug auf Zürich und malte ein düsteres Bild über die Situation der Prostituierten in der Schweiz. Die Situation in der Schweiz ist in der Tat besorgniserregend. Viele Frauen arbeiten gemäss Expertinnen und Experten unter prekären Bedingungen und sind Opfer von Gewalt und Menschenhandel. Auch mich hat das Thema aufgerüttelt. Dass wir in der Schweiz mehr über das Thema sprechen müssen, hat die kürzliche Diskussion im SRF-Club gezeigt. Ich habe darum dem Bundesrat einige Fragen gestellt und will von ihm wissen, wo er Handlungsbedarf sieht, um den Schutz der Prostituierten zu erhöhen.

Inländisches Fachkräftepotenzial fördern – KITA-Plätze gezielt finanzieren

Der Ständerat hat in dieser Session einen wichtigen Entscheid für die Zukunft der Kinderbetreuung in der Schweiz gefällt. So soll zusätzlich zu den Kinderzulagen eine Betreuungszulage eingeführt werden. Diese legten wir auf 100 Franken pro Monat für einen Betreuungstag pro Woche fest. Das bedeutet, dass Familien pro Betreuungstag in der Woche 100 Franken im Monat erhalten. Wird ein Kind an fünf Tagen pro Woche betreut, erhalten die Familien also bis zu 500 Franken pro Monat. Diese Massnahme verursacht keine neuen Mehrkosten für den Bund und ist administrativ einfach umzusetzen. Das Hauptproblem heute sind die hohen Kosten für Krippenplätze, die viele Familien vor grosse Herausforderungen stellen und den falschen Anreiz setzen, dass zumindest ein Elternteil weniger berufstätig ist. Mit dem neuen Gesetzentwurf setzen wir genau hier an und machen die Kinderbetreuung bezahlbarer. Das hilft nicht nur den Familien, sondern erhöht auch das Arbeitskräftepotenzial. Dieser Vorschlag steht auch im Kontext der Volksinitiative «Für eine gute und bezahlbare familienergänzende Kinderbetreuung für alle (Kita-Initiative)», die zu weitreichend wäre und Kosten in Milliardenhöhe verursachen würde. Die nun beschlossene Vorlage bietet eine ausgewogene und praktikable Lösung. Mit diesem Entscheid haben wir einen grossen Schritt in Richtung einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf gemacht und gleichzeitig den Grundstein für eine nachhaltige Stärkung unseres inländischen Arbeitskräftepotenzials gelegt.

Beschleunigung der Energiewende: Verbandsbeschwerden bei Wasserkraftprojekten einschränken

Das Parlament treibt die Energiewende voran und will die Verfahren für den Bau von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien beschleunigen. Im Ständerat haben wir nach einer kontroversen Diskussion beschlossen, Verbandsbeschwerden bei 16 ausgewählten Wasserkraftprojekten auszuschliessen.  Mit dem sogenannten Beschleunigungserlass sollen Planungs- und Bewilligungsverfahren für grosse Solar-, Wind- und Wasserkraftprojekte gestrafft werden. Zudem wird der Ausbau des Stromnetzes erleichtert. Ziel ist es, die Energiewende zügig voranzutreiben. Ich habe mich stark für diese Beschleunigung eingesetzt, denn es ist offensichtlich von der Bedarfsseite her: Wir müssen vorwärts machen! Heute dehnen die Gerichte wegen Rechtsunsicherheit die Schutzbedürfnisse laufend aus. Der Ständerat verabschiedete die Vorlage schlussendlich mit 35 zu 5 Stimmen bei 4 Enthaltungen. Die Vorlage geht nun zurück an den Nationalrat. Dessen Entscheidung wird wegweisend für die Zukunft der Schweizer Energiepolitik sein.

Diese und viele weitere Themen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, zeigen, dass es noch viel zu tun gibt. Pünktlich vor Weihnachten hat zudem der Bundesrat sein Verhandlungsergebnis mit der EU auf den Tisch gelegt, das uns die kommenden Jahre intensiv beschäftigen wird.

Ich freue mich, auch 2025 für Luzern und die Schweiz anzupacken und umzusetzen. Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern ein frohes Weihnachtsfest, erholsame Feiertage und einen guten Start im neuen Jahr!