Damian Müller | Ständerat

Erfolgreicher Liberalismus

  • 23. März 2022
  • 3 min Lesezeit
  • Zuversicht

Zum Buch «Freiheit in der Demokratie» von alt Ständerat Prof. René Rhinow.

Das soeben erschienene Buch «Freiheit in der Demokratie» des liberalen Denkers René Rhinow, emeritierter Professor für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Basel und alt Ständerat, sollte eigentlich Pflichtlektüre sein für alle, die unter der Fahne des Freisinns politisieren. Das umfassende, vielschichtige und mit 232 Seiten trotzdem relativ schlanke Werk zu besprechen, mag ambitioniert sein. Der Versuch sei trotzdem gewagt  – im Wissen, dass nicht das vorliegende Werk, geschweige denn das gesamte Wirken von René Rhinow gewürdigt werden kann.

In einer Reihe von lesenswerten Aufsätzen zeigt der Autor auf, weshalb eine gute liberale Politik immer auf der Menschenwürde basiert. Und weshalb die Ausrichtung auf die Menschenwürde als oberstes Ziel stets auch zu einer guten liberalen Politik führt.

In den Beiträgen spiegelt sich nicht nur die Tatsache, dass René Rhinow ein höchst belesener Mann ist, sondern auch, dass er – was für jemanden mit seiner geistigen Flughöhe nicht selbstverständlich ist – ebenfalls konkrete, politische Erfahrung hat. Im Kapitel «Die liberale Geisteshaltung» kommt das in seinen Ausführungen zum Thema Bescheidenheit und Demut exemplarisch zum Ausdruck. «Problemlösungen sind oft unspektakulär, langatmig, ‘sitzungsintensiv’, auch mühsam.» Rhinow zitiert hier Max Webers «starkes, langsames Bohren von harten Brettern, mit Leidenschaft und Augenmass».

Diese Aussagen treffen auch heute noch auf die politische Arbeit zu. Zumindest im Ständerat, dem René Rhinow als Vertreter des Kantons Baselland von 1987 bis 1999 angehörte, hat sich nicht viel geändert. Nach wie vor ist der Stil im Ständerat von gegenseitigem Respekt geprägt, was in anderen Bereichen des Politbetriebs leider nicht mehr zutrifft –  und René Rhinow konstatiert: «Ich wandte mich immer gegen die neuerdings im Vormarsch begriffene, irrige Auffassung, in der Politik gehe es nur um Inhalte, der Anstand, die faire Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner seien nebensächlich.» Und er erwähnt in diesem Zusammenhang speziell die «enthemmte und radikalisierte Kommunikation.» Für Rhinow ist ein menschlicher und mitmenschlicher Umgang für eine Demokratie essenziell.

Von besonderer Aktualität sind die Ausführungen Rhinows im Kapitel «Nachhaltiger Liberalismus», sinnigerweise ziemlich genau in der Mitte des Buches. «Wenn das von Liberalen hochgehaltene Junktim von Freiheit und Verantwortung gelten soll, muss es auch die Verantwortung gegenüber Natur und Nachwelt mit einschliessen», schreibt Rhinow. Und er zitiert im Zusammenhang mit dem «Prinzip Verantwortung» des österreichisch-amerikanischen Philosophen Hans Jonas schliesslich Kant: «Handle so, dass die Wirkungen Deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz menschlichen Lebens auf Erden.»

René Rhinow erinnert daran, dass Liberale (Mit-)Verantwortung Nachhaltigkeit einschliesst: «Auf Menschenwürde basierte Freiheit steht auch nachfolgenden Generationen zu. Dass Freiheit auch die Entwicklungschancen junger Menschen umfasst, leuchtet unmittelbar ein. Doch muss Freiheit auch den noch nicht geborenen Menschen in der Nachwelt zustehen.» Was war, was ist und was sein wird – das Buch von René Rhinow ist mehr als das im Untertitel fast schon bescheiden festgehaltene «Plädoyer für einen menschenwürdigen Liberalismus». Sein Buch «Freiheit in der Demokratie» ist geradezu ein Manifest für eine nachhaltige liberale Geisteshaltung und Politik in all ihren Formen – und damit eigentlich das Erfolgsrezept für die FDP Schweiz.