Damian Müller | Ständerat

Ein Land mit Zukunft: Die Schweiz

  • 21. April 2021
  • 4 min Lesezeit
  • Brief aus dem Ständerat
  • Zuversicht

Über die letzten Ostertage wurde mir einmal mehr klar, was für ein Privileg es ist, in der Schweiz zu leben.

Als Präsident der aussenpolitischen Kommission des Ständerates durfte ich in einer kleinen Delegation Bundesrat Ignazio Cassis auf seiner Reise in den Nahen Osten begleiten, in den Irak, nach Oman und in den Libanon. Mit diesen drei Ländern will die Schweiz die Beziehungen stärken und Frieden, Sicherheit und Wohlstand fördern. So will es die Strategie für den Mittleren Osten und Nordafrika bis ins Jahr 2024. Wie unterschiedlich waren sie doch, die Bilder in den drei Ländern! In Bagdad sind die Amerikaner noch immer stark präsent. Überall schwer bewaffnete Security. Ein Grossteil der Infrastruktur im Land ist heillos veraltet. Ganz anders dann in Oman. Die Infrastruktur intakt, eine Regierung mit einem Sultan, der seinen Staat in eine moderne Zukunft führen will. Und dann der Libanon: Ein Staat vor dem Bankrott. Die Hauptstadt Beirut ist immer noch tief geprägt von der massiven Explosion vor gut einem halben Jahr, der eigentliche Schrecken lässt sich kaum erahnen. Ein kleiner Lichtblick dann in einem syrischen Flüchtlingslager. Hier zeigt sich, dass die Schweizer Hilfe ankommt, immerhin. Aber welche Perspektiven haben die Jungen? Und die Antwort ist dramatisch: Ein Land, das seine Jugend verliert, hat keine Zukunft.

Die Bilder dieser Reise zeigen eines in aller Deutlichkeit: Es gibt Menschen, die haben es längst nicht so gut wie wir. Es frustriert mich zuweilen, dass wir oft vieles als selbstverständlich sehen und so tun, als sei die Erfolgsgeschichte der Schweiz in Stein gemeisselt. Die Corona-Krise zeigt uns schmerzlich, wie schnell ein Ereignis von aussen alles verändern kann. Meine Generation erlebt durch diese Krise zum ersten Mal, was es heisst, Solidarität mit anderen zu zeigen und Regeln zu befolgen, die das eigene Leben teils massiv einschränken. Die Politik muss aufpassen, dass sie die Glaubwürdigkeit nicht verspielt. Aktuell gilt die Devise: schützen, entschädigen, impfen! Dazu gehört aber auch, dass der Bundesrat Perspektiven aufzeigt und das Parlament in den Kommissionen seine Arbeit macht. Unsere Schwächen werden uns dereinst gnadenlos vor Augen geführt.

Die Corona-Krise hat uns gelehrt, dass wir – sinnbildlich – zusammenstehen müssen, wenn wir globale Herausforderungen meistern wollen. Einander zuhören und gemeinsam Lösungen finden: Das ist auch mein Verständnis einer guten Politik. Etwa, wenn es darum geht, unser Verhältnis zur Europäischen Union zu klären. Statt viel Wirbel und lautem Getöse täten wir gut daran, die aufgeheizte Stimmung rund um das institutionelle Rahmenabkommen wieder zu versachlichen. Dabei sollten wir nie vergessen: Der Erfolg der Schweiz hängt massgeblich von einem intakten Verhältnis zur EU ab.

Auch in der Europapolitik geht es letztlich um Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit. Seit 2018 liegt das Resultat des Vertrages auf Tisch. Eine breite Konsultation hat gezeigt, dass der Vertrag Präzisierungen – sprich beim Lohnschutz, der Unionsbürgerrichtline und den staatlichen Beihilfen – braucht. Für mich hat der bilaterale Weg weiterhin höchste Bedeutung. Doch der Bundesrat weiss offensichtlich nicht, welche Kompromisse er eingehen will. Stattdessen scheint den Bundesrätinnen und Bundesräten nur klar, was sie – je nach Parteicouleur – nicht wollen. Und wem sie die Schuld für ein allfälliges Scheitern der Verhandlungen abschieben könnten. Das ist unwürdig. Der Bundesrat muss jetzt alles daransetzen, eine Eskalation und damit eine Erosion des bilateralen Wegs zu verhindern. Zudem erwarte ich, dass es taugliche alternative Szenarien gibt. Unser Wohlstand ist letztlich das Ergebnis von vielen richtigen Entscheiden, die wir getroffen haben.

Natürlich erwarte ich, dass die EU unseren Willen respektiert und darauf verzichtet, uns ständig zu piesacken. Dass sie die Äquivalenz der Schweizer Regulierung bei der Börse oder dem Datenschutz anerkennt und bereit ist, Verhandlungen über die Teilnahme der Schweiz an EU-Programmen zu führen. Kurz, dass sie die Aktualisierung der Bilateralen I nicht blockiert.

Wir brauchen aber auch eine Entspannung im Inland. In den letzten Jahren haben die politischen Kräfte links und rechts immer wieder wichtige Entscheidungen blockiert. Nicht nur in der EU-Frage, aktuell auch bei der Sanierung unserer Sozialwerke. Oder in der Klimafrage. Gerade das bereitet mir grosse Sorgen. Wir können nicht nur über Klimaschutz reden, sondern müssen rasch konkrete Massnahmen umsetzen. Ich habe mich deshalb stark für das neue CO2-Gesetz engagiert, über das wir am 13. Juni abstimmen werden. Laut dem Global Risks Report, den das Weltwirtschaftsforum (WEF) herausgibt, waren im letzten Jahr die fünf grössten Gefahren für unsere Welt erstmals alle auf die zunehmende Umweltbelastung zurückzuführen. Ob diese Risiken in unsere politische Agenda passen oder nicht, spielt keine Rolle. Entscheidend ist, dass wir jetzt handeln. Das eigene Nichtstun hinter dem Argument zu verstecken, die Schweiz sei halt klein und könne doch nichts bewirken, ist nicht nur eine billige Ausrede, sondern das Eingeständnis, dass es uns wieder einmal nur ums Geld geht. Für mich ist der sorgsame Umgang mit den natürlichen Ressourcen aber ein zentraler Pfeiler des Generationenvertrags. Nur mit einer intakten Umwelt geben wir der Jugend die Chance auf eine erfolgreiche Zukunft in unserem Land.

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