Der liberale Umweltfreund
- 09. Juli 2020
- 6 min Lesezeit
- Porträt in der "Tierwelt"
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Zuversicht
Vor gut vier Jahren wurde Damian Müller zum jüngsten Ständerat gewählt. Eine Wiederwahl später ist der Pferdefreund einer der führenden Köpfe der neuen, klimafreundlichen FDP-Linie. Ein Porträt von Matthias Gräub (Text) und Alexander Wagner (Bilder)
Weitblick heisst das Schlagwort, sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinn. Damian Müller scheint es wohlüberlegt und bewusst gewählt zu haben, genau wie den Treffpunkt zum Fo- totermin: Schloss Heidegg im Luzerner Seetal.
Der FDP-Ständerat aus Hitzkirch LU steht an der gezinnten Schlossmauer, hinter ihm eröffnet sich – von einem dünnen Nebel gefiltert – die Aussicht auf den Baldeggersee, auf Äcker, Obstbäume, Reben und auf die lose verteilten Dörfer und Weiler, die das Seeufer säumen. «Von hier oben kann ich sehen, wie sich das Leben bewegt», sagt Müller, dem merklich viel am Seetal, seiner Heimat, liegt. «Das Schloss ist ein ganz spezieller Ort im Tal. Immer wenn ich hier oben bin, ist das für mich ein Schritt aus dem hektischen Alltag hinaus – und es löst in mir immer wieder ein Heimatgefühl aus.»
Neue Technologien fördern
Schon als kleiner Junge habe er sich für Ritter und Burgen interessiert und oft und gerne mit seinen Eltern das Schloss besucht – eins der wenigen übrig gebliebenen in einem Tal, das einmal voll von Habsburgerschlössern war. Er erinnert sich an den Spielplatz hier oben, an den «Sieben-Brüggli-Weg», der sich hochschlängelt. Erzählt die Sage nach, die erklären soll, wieso Schloss Heidegg sein Schicksal nicht mit den anderen Burgen im Tal teilte: «An jenem Tag ist ein dichter Nebel vom See aufgestiegen und hat das Schloss verhüllt, so- dass die Angreifer es nicht finden konnten.»
Der Nebel ist heute höchstens ein Dunst. So funktionert auch Müllers «Weitblick»- Analogie: «Den braucht es eben in der Politik auch», erzählt er. Gerade in Sachen Klimapolitik scheint dem 35-Jährigen ein solcher Weitblick besonders wichtig zu sein. Im Wahljahr 2019 war er führend mit dabei, als seine Partei eine Umfrage startete und merkte: Die Umwelt ist ihrer Wählerschaft wichtig.
Die klimafreundliche Position kurz vor den Parlamentswahlen wurde der Partei zwar vielerseits als «grünes Mäntelchen» vorgeworfen; Müller scheint es aber ernst zu meinen damit. Er macht sich stark für Klima-Abgaben bei Flugreisen und Autos, möchte neue Technologien fördern, um den Flugverkehr CO2- neutral zu machen und war im Herbst zuletzt Sprecher der Umwelt-, Raumplanungs- und Energiekommission des Ständerats, als sie die Totalrevision des CO2-Gesetzes behandelte. Das alles immer mit dem «liberalen Kompass», wie er ihn nennt. Denn: «Wenn es mit einer liberalen Gesetzgebung nicht klappt, gibt es unweigerlich Verbote.»
«Das Pferd ist ein wichtiger Ankerpunkt in der Eidgenossenschaft.»
Als er vor gut vier Jahren für den Kanton Luzern überaschenderweise in die kleine Kammer gewählt wurde, war Müller 31 Jahre alt und damit der Jüngste aller Ständeräte. Seine Wiederwahl im letzten Herbst – es war zwar hauchdünn, aber er schaffte sie schon im ersten Wahlgang – war weniger überraschend. Trotzdem zeigte sich Müller im Wahlkampf erneut mit einem eigentümlichen Gefährt, das ihm wohl schon beim ersten Mal Glück gebracht hat: dem Müller-Mobil.
Wahlkampf im Dreirad
«Das war ein Kindheitstraum von mir, ein Piaggio AP mit drei Rädern», schwärmt er. «Ich fand diese kleinen Autos lässig und habe mit einem Freund ausgeheckt, was man alles mit so einem machen könnte.» Prompt hat sich Müller eins dieser motorisierten Dreiräder im Retro-Design bestellt und mit tatkräftiger Hilfe umgebaut und lackiert. Heute prangt sein Gesicht gross auf der Seitenwand. Daneben sein Slogan: «Packt an. Setzt um.»
Müller strahlt, wenn er von seinen Fahrten damit erzählt: «Am Anfang hat es viel Über- windung gebraucht, damit loszufahren, wenn der eigene Kopf drauf zu sehen ist», erinnert er sich. Heute ist er daran gewöhnt: «Die Leute winken mir zu, gerade hier in der Region.» Auf einen Elektromotor umrüsten will der liberale Umweltpolitiker sein Gefährt nicht. «Das Müller-Mobil ist sparsam und ich kompensiere seinen CO2-Ausstoss.»
Klimaneutral unterwegs ist Müller zuweilen auch auf dem Pferderücken. Heute kommt er zwar nur noch selten dazu, aber das Reiten liegt ihm seit seiner Kindheit am Herzen. «Wir hatten in Hitzkirch jedes Jahr ein Pony- und Pferderennen. Das war immer der Höhepunkt des Sommers.» Über die Schwester fing schliesslich auch Damian Müller Feuer fürs Reiten; der schon damals viel beschäftigte Seetaler hatte neben dem Fussballklub bald ein neues Hobby. «Und am Wochenende fing ich dann bald noch an, die Ansagen bei Pferdesportveranstaltungen zu machen und mir so ein bisschen Sackgeld zu verdienen.»
Als Speaker ist Müller nach wie vor tätig, wenn auch kaum mehr im Kanton Luzern, seit er diesen im Bundeshaus vertritt: «Gleichzeitig Ständerat zu sein und an einer Veranstaltung im eigenen Kanton als Speaker zu amten, ist nicht die beste Idee, das überlasse ich dann lieber anderen.»
Die Bedeutung des Pferdes
Müller ist auch Vizepräsident des Schweizerischen Pferdesportverbandes, ausserdem führt er die «Parlamentarische Gruppe Pferd», die dem Pferd eine Lobby in Bundesbern gibt. «Das Pferd ist ein wichtiger Ankerpunkt in der Eidgenossenschaft», sagt er. «Im Militär gab es die Kavallerie, auf fast jedem Bauernbetrieb gab es ein Pferd. Unser Ziel ist es, den Bestand aufrechtzuerhalten und weiterhin mit Pferden arbeiten zu können.»
Neben dem Pferdesport ist Müller auch dem Fussball treu geblieben. Beim FC Nationalrat kickt er während der Session einmal pro Woche mit Parlamentariern aller Parteien, was «sehr unkompliziert und freundschaftlich» sei. Und er witzelt: «Ausser, wenn ein Sozi mal auf dem rechten Flügel spielen muss.»
Zu Müllers Mandaten gehören auch Führungspositionen in der Vereinigung der Schweizer Futtermittelfabrikanten, bei den Luzerner Wanderwegen oder die OK-Präsidien bei «SlowUp Seetal» und bei «Luzern Diskutiert». Kritik handelte er sich unlängst ein, als er gleich drei neue Mandate im Gesundheitswesen annahm – kurz nachdem er in die Gesundheitskommission des Ständerats eintrat. Er wehrt sich: «Finanzielle Aspekte sind für mich kein Argument. Ich mache nur dort etwas, wo ich mein Herzblut reingeben kann.»
Trotz vieler Aufgaben und Mandate ist Müller das Milizsystem in der Schweizer Politik «eminent wichtig». Unvorstellbar sei für ihn, Berufspolitiker zu werden, denn: «Im Berufsleben knüpfst du so viele Kontakte, die du im politischen Leben nicht bekommst.» Selber ist er in einem 30-Prozent-Pensum beim Versicherungsunternehmen Swiss Life tätig. «Irgendwann ist meine Zeit in der Politik vorbei – dann gehe ich zurück in die Privatwirtschaft und werde wieder 100 Prozent arbeiten.»
Auch wenn er gerade erst seine zweite Amtszeit in Bundesbern in Angriff genommen hat – und ihm einige Kollegen dereinst gar den Sprung in den Bundesrat zutrauen: Eins kann man Damian Müller, ob in Bundesbern oder hier oben auf Schloss Heidegg, nicht vorwerfen: mangelnden Weitblick.