Das neue Parlament ist gefordert!
- 12. Dezember 2023
- 4 min Lesezeit
Mein Brief aus dem Ständerat für den Willisauer Bote anlässlich der ersten Session der 52. Legislatur.
Feierlich ist das neu gewählte Parlament am 4. Dezember in die neue Legislatur gestartet. Ich durfte diesen Auftakt bereits zum dritten Mal erleben, und es ist immer wieder ein eindrücklicher Moment. Kaum sind die Feierlichkeiten aber jeweils beendet, setzt der parlamentarische Normalbetrieb ein. Für uns Parlamentarierinnen und Parlamentarier heisst das: Wir arbeiten daran, die bestmöglichen Lösungen für unser Land zu finden. Diese Legislatur wird diesbezüglich ganz besonders herausfordernd: Es zeichnen sich grössere strukturelle Verwerfungen am Horizont ab, deren Konturen immer schärfen werden. Pandemie, Krieg in Europa, vor allem aber auch die nun immer stärker ins Rollen kommende Pensionierungslawine der Babyboomer erhöhen den Handlungsdruck. Strukturelle Weichenstellungen können nicht mehr beliebig vor sich hingeschoben werden.
Finanzielle Stabilität ist für die Zukunft entscheidend
So gibt gleich zu Beginn der Legislatur das Ringen um das nächstjährige Budget einen Vorgeschmack. Finanzpolitisch schlagen die Neubeurteilung der Bedrohungslage und damit verbunden die beabsichtigte Wiederaufrüstung der Armee sowie die massiv steigenden Ausgaben der AHV zu Buche. In den vergangenen Jahren sind die Einnahmen in den öffentlichen Kassen nur so gesprudelt. Nun aber zeichnen sich Bundesdefizite ab, die mit der Schuldenbremse nicht mehr zu vereinbaren sind. Zurecht warnt der Bundesrat vor dieser Entwicklung. Denn der Grundsatz «Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not» hat sich gerade in der Pandemie als goldrichtig erwiesen. Die Einhaltung der Schuldenbremse ist für mich ein Stabilitätsfaktor erster Güte. Wer mehr bestellen will, muss auch für die Finanzierung sorgen. Verteilungskämpfe sind unvermeidlich. Für mich bleibt die Einhaltung der Schuldenbremse absolute Pflicht.
Dass es in den öffentlichen Haushalten eng wird, hat viel mit der strukturellen Dimension des demografischen Wandels zu tun. Es ist nun mal eine Tatsache: in den nächsten Jahren steigt die Zahl der Rentnerinnen und Rentner stark an, das Verhältnis von Erwerbstätigen und Pensionierten verschlechtert sich dramatisch. Während zahlreiche erfahrene Erwerbstätige in Pension gehen, rücken viel weniger junge Menschen in den Arbeitsmarkt nach. Die Folgen sind eine milliardenhohe Finanzierungslücke in der AHV und stark steigende Ausgaben der Ergänzungsleistungen. Zusammen mit der auch qualitätsbedingten Mengenausweitung im Gesundheitswesen und einem strukturellen Arbeitskräftemangel ist das ein veritabler Giftcocktail für unsere Konjunktur.
Anreize für Vollzeitarbeit setzen
Um insbesondere dem Arbeitskräftemangel zu begegnen, braucht es einen Strauss an Massnahmen. Kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als auch. In erster Linie müssen wir endlich das inländische Potenzial an Menschen besser nutzen. Bezüglich der Vereinbarung von Familie und Beruf wurde in den letzten Jahren schon Einiges getan, damit auch in der Familienphase wenigstens Teilzeiterwerbsarbeit möglich bleibt. Dabei darf nicht vergessen werden, wie wichtig auch Vollzeiterwerbsarbeit ist, die seit Jahren dramatisch abnimmt. Mit einer Motion, die Anreize für einen Vollzeiterwerb vorsieht, habe ich diese Diskussion in Gang gebracht. Ebenfalls wichtig ist der faire Umgang mit älteren Mitarbeitenden. Als Gesetzgeber können wir auch hier bessere Anreize setzen, damit mehr ältere Menschen freiwillig über das Pensionsalter weiterarbeiten. Dazu habe ich konkrete Vorschläge im Parlament eingebracht.
Gefordert sind aber auch die Arbeitgeber. Es ist eine Schande, wenn gut qualifizierte Erwerbstätige im Alter von sechzig Jahren keine Stelle mehr finden. Immer noch begegnen mir Dreamers von Managern, die dem süssen Gift immer höherer Zuwanderung verfallen sind. Sie vergessen, dass den Prognosen bezüglich der hunderttausenden an fehlenden Arbeitskräften in wenigen Jahren bereits eine hohe Zuwanderung unterlegt ist. Ohne diese würde etwa der sich abzeichnende Pflegenotstand noch viel dramatischer. Noch mehr Zuwanderung ist aber keine Lösung, weder innenpolitisch noch aufgrund der Tatsache, dass die demografische Alterung mehr oder weniger weltweit nach demselben Muster läuft. Wir müssen es in dieser Legislatur deshalb unbedingt schaffen, den bilateralen Weg mit der EU in die Zukunft zu führen – selbstverständlich nach harten Verhandlungen zur Verteidigung unserer Interessen. Alles andere können wir uns nicht leisten.
Das Volk entscheidet über Rentenvorlagen
Im Parlament können wir zwar die Weichen für eine sichere Zukunft der Schweiz stellen. Doch dann ist das Stimmvolk an der Reihe. Steigende Mieten und Krankenkassenprämien sind für die Menschen eine grosse Sorge. Die Gefahr ist deshalb real, dass sich viele von der Versuchung einer 13. AHV-Rente blenden lassen – dabei wäre ein solcher AHV-Ausbau mit der Giesskanne schlicht nicht finanzierbar. Viel zu reden wird auch die BVG-Vorlage (2. Säule) geben, über die der Souverän später im Jahr befinden wird. Die Senkung des Mindestumwandlungssatzes würde künftige Generationen entlasten und wäre nur gerecht. Der diktierte Leistungsausbau, der mit der Vorlage einhergeht, hat aber ein unappetitliches Preisschild, insbesondere für die KMU-Wirtschaft und Erwerbstätige mit tieferen Einkommen. Wenigstens hat die Entspannung an der Zinsfront diesbezüglich den Revisionsdruck spürbar gemildert. Wie auch immer das Stimmvolk in diesen Fragen entscheidet: im Parlament werden wir uns danach richten – und weiterhin nach den bestmöglichen Lösungen suchen.