Damian Müller | Ständerat

China-Strategie: Selbstbewusste Offenheit mit klaren Grenzen

  • 07. Februar 2021
  • 6 min Lesezeit
  • China-Strategie der FDP
  • Vernetzte Welt

«Ziel des Positionspapiers ist, dass die Schweiz ihre Prinzipien wie Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte und Marktwirtschaft gegenüber China auf Augenhöhe vertritt. Dort, wo chinesisches Handeln im deutlichen Widerspruch zu freiheitlichen Werten und Menschenrechten steht oder Schweizer Interessen verletzt werden könnten, wollen wir unsere liberalen Grundprinzipien und Interessen selbstbewusst verteidigen.»

Die FDP.Die Liberalen Schweiz präsentiert mit diesem Papier die Empfehlung im Umgang mit China getreu dem Motto «selbstbewusste Offenheit mit klaren Grenzen». Nur eine integrale Sicht und eine permanente Reflexion führen letztlich zu einer produktiven Ausgestaltung dieses Verhältnisses zu China. Dabei sind gerade auch politische Fragen, insbesondere Menschenrechtsfragen, offen zu adressieren. Wenn sich China wie es im Papier einleitend heisst, „als Gegenmodell zu den westlichen Industrienationen mit ihren liberalen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnungen“ präsentiert, ist das auch als Reaktion auf die von Trump bestimmte harte Linie gegenüber dem Reich der Mitte zu sehen. Dieser amerikanische Druck, der wohl nicht auf der ganzen Welt als gerechtfertigt betrachtet wurde, stellte eine gute Gelegenheit dar, sich als wirtschaftlich starkes Gegenmodell zu präsentieren. Das heisst natürlich nicht, dass Themen wie die Behandlung der Uiguren ausgeklammert werden dürfen. Es ist nicht auszuschliessen, dass mit einer Normalisierung der sino-amerikanischen Beziehung China etwas „sanfter“ werden könnte, auch wenn der Kampf um die technologische und wirtschaftliche Vorherrschaft zwischen den beiden Giganten nicht vorbei ist.

Was wir derzeit erleben ist nicht nur ein Kampf um die globale wirtschaftliche Vorherrschaft. Es ist auch ein Kampf um Werte. Lange sind wir davon ausgegangen, dass eine Wirtschaft nur dann erfolgreich sein kann, wenn sie auf der Basis einer liberal-demokratischen Grundhaltung stünde. Man glaube also, dass sich das autoritäre chinesische System demokratisieren würde, wenn man mit ihm Handel treibt und damit seine wirtschaftliche Situation verbessert. Das ist, das müssen wir heute feststellen, nicht der Fall. China zeigt, dass man auch als autoritäres Land wirtschaftlich erfolgreich sein kann. Und das wird natürlich von den antidemokratischen Kräften auf der ganzen Welt zum Beispiel genommen. Nehmen wir nur Ungarn.

Weiterführende Fragen und Antworten zur China-Strategie der FDP

Frage: China tritt zunehmend aggressiver auf. Wie soll sich die Schweiz da positionieren?

Was die wirtschaftliche Zusammenarbeit angeht, sind wir auf einem guten Weg. China ist mittlerweile hinter der EU und den USA der drittgrösste Handelspartner. Nicht zuletzt dank dem FHA, das BR Schneider-Ammann ausgehandelt hat. Wir haben mit unserem Freihandelsabkommen aber auch eine ausgezeichnete Basis, um mit China einen kontinuierlichen Dialog über andere als rein handelspolitische Themen zu führen. Dabei muss es einerseits darum gehen, die Interessen unserer Schweizer Firmen bei ihrer Tätigkeit in China zu unterstützen, indem wir immer wieder den Ausbau der rule-of-law thematisieren oder auf andere Vorkommnisse hinweisen, von denen unsere Unternehmen betroffen sind. Andrerseits müssen wir das FHA auch als Eingangstüre benutzen, um heikle Fragen wie das Recht auf geistiges Eigentum, Fragen der Datensicherheit und vor allem auch der Menschenrechte zu thematisieren. Da sind wir, gerade dank unserer nun 70jährigen guten Beziehung in einer guten Position. Kurz: Wir müssen offen bleiben, aber auch offen kritisch sein.

Wie soll das geschehen?

Es gibt Umstände, da ist ein offenes, lautes Wort wichtig (Hongkong), aber es gibt auch Umstände, da ist Diskretion angesagt.
Es ist klar, Medien hätten gerne, wenn unsere offizielle Politik China auch offiziell kritisieren würde. Ich halte das für den falschen Weg: Wir müssen den Menschenrechtsdialog intensiv führen, aber nicht in der Öffentlichkeit. Denn niemand hat es gern, wenn schmutzige Wäsche öffentlich gewaschen wird. Das verhärtet nur die Fronten und macht einvernehmliche Lösungen unmöglich. Zuviel Offenheit in dieser heiklen Frage verhindert Fortschritte.

Aber die Öffentlichkeit glaubt dem nicht, wenn ein Bundesrat nach einem Gespräch mit einem chinesischen Amtskollegen mitteilt, man habe auch die Menschenrechte thematisiert.

Deshalb wäre es gut, wenn China durch konkrete Massnahmen signalisieren würde, dass ein solcher Dialog auch etwas bringt.

Also vor der chinesischen Aggression kuschen?

Nein, keinesfalls! Natürlich dürfen wir dem wirtschaftlichen Erfolg nicht alles unterordnen. Ich denke, wir müssen es klar und deutlich aussprechen, wenn sich in unserem bilateralen Verhältnis etwas einschleichen würde, das uns die Freiheit nehmen könnte, offen und klar zu unseren Werten zu stehen. Kuschen wäre die falsche Antwort, wie es ebenso falsch ist, sich zu allem und jedem zu Wort zu melden. Den Menschenrechtsdialog führt man, wie gesagt, diskreter.

Lange ist die Schweiz wie andere Länder auch davon ausgegangen, dass eine Verbesserung des Wohlstands auch zu mehr Demokratie führen würde. Das Wort heisst, Wandel durch Handel. Das hat sich aber als falsch erwiesen, das Gegenteil ist der Fall wenn wir Hongkong anschauen.

Ja, wir müssen leider feststellen, dass diese einfache Formel nicht funktioniert. Es ist wohl in China nicht anders als an andern Orten auf der Welt: Zuerst kommt das Essen, dann die Moral. Und was Hongkong angeht, müssen wir klar unsere Bedenken anmelden, so geht das nicht.

Das ist jetzt aber sehr schwach. Sanktionen?

Natürlich können wir nicht viel mehr als die chinesische Führung anzumahnen. China ist letztlich ein souveränes Land. Auch wir verbitten uns jegliche Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten. Wie dies jedes andere souveräne Land auch tut. Und Schweizer Sanktionen, das ist mit Verlaub lächerlich

Das tönt etwas hilflos

Ja, das ist wohl etwas hilflos. Aber als kleines Land können wir da wohl nicht viel mehr erreichen, auch wenn wir eine erfolgreichen wirtschaftliche Beziehung haben. Wie gesagt, wir müssen diese gute Beziehung nutzen, um das Gespräch mit China aufrecht zu erhalten.

China versucht immer mehr in der Welt ihre eigenen Wertvorstellungen durchzusetzen, auch mit unredlichen Mitteln, Was tun?

Wir dürfen da auf keinen Fall die kritische Distanz verlieren. Und uns nicht davon abhalten lassen, heikle Punkte nicht mehr anzusprechen, Punkte wie Sicherheit, Datenklau und Menschenrechte.

Ein anderes Thema ist die Sicherheit in technologischen Fragen, Stichwort Huawei.

Hier gilt es für mich, das rechtliche Regelwerk so zu entwickeln, dass ein Missbrauch der Technologie nicht möglich ist. Hier müssen wir klare Prinzipen formulieren. Und sollte China nicht bereit sein, diesen rechtlichen Schutz zu gewähren, müsste man unseren Unternehmen raten, von einer Kooperation mit China Abstand zu nehmen. Einen prinzipiellen Ausschluss chinesischer Markteilnehmer halte ich aber nicht für gerechtfertigt. Da dürfen wir uns von andern Ländern wie den USA nicht unter Druck setzen lassen.

Aber es kann doch nicht sein, dass in China einfach unsere Produkte kopiert werden

Natürlich nicht. Wir müssen auf dem Patentschutz beharren. Allerdings wird es der Industrie wenig helfen, einfach auf dem Recht zu beharren. Die Tatsache, dass unsere Produkte kopiert werden, bedeutet auch, nicht nachzulassen und immer einen Schritt voraus zu sein. Also die eigene Entwicklung nicht zu vernachlässigen, sondern zu intensivieren.

Und was sagen Sie dazu, dass chinesische Unternehmen mehr und mehr in unserem Land investieren?

Dafür braucht es einen guten Dialog mit unserer Wirtschaft. Das heisst, die Politik auf allen Ebenen muss mit der Wirtschaft im ständigen Gespräch sein. Ich glaube, wir müssen hier jeden Fall einzeln anschauen und die Frage stellen: Ist ein strategisches Unternehmen betroffen oder nicht. Eine gewisse Vorsicht ist in jedem Fall angebracht – hier muss der Bundesrat einen Notfall-Mechanismus entwickeln. Was die chinesischen Investitionen in unserem Land betrifft, müssen wir vor allem auf eines aufpassen, darauf nämlich, dass hier eine Parallelwelt entsteht. Wenn zum Beispiel ein Hotel in chinesische Hände wechselt, dort nur chinesischen Gäste einkehren, die ausschliesslich von chinesischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedient werden, dann geht das nicht. Genau wie es nicht geht, wenn China bei der belt-and-road-Initiative nur chinesische Arbeitskräfte einsetzt und die jeweiligen Einheimischen übergeht. Auch hier ist der Dialog zentral.