Damian Müller | Ständerat

Braucht es eine Kostenbremse für das Gesundheitswesen?

  • 10. April 2024
  • 3 min Lesezeit

PRO und CONTRA in der Luzerner Zeitung: Peter Hegglin und ich sind geteilter Meinung

PRO: «Das heutige System ist voller Fehlanreize» von Peter Heggelin 

Von 2011 bis 2021 stiegen die Kosten im Gesundheitswesen von 63,8 Milliarden auf über 86 Milliarden Franken. Im gleichen Zeitraum stiegen die Löhne nur um sechs Prozent.

Im Jahr 2017 hat das Eidg. Departement des Innern mit einer Expertengruppe 38 Sparmassnahmen erarbeitet. Ziel war es, die vom Bundesamt für Gesundheit mit rund 20 Prozent bezifferten Ineffizienzen im Gesundheitswesen zu eliminieren. Leider wurden nur Massnahmen gutgeheissen, die kaum einen direkten Einspareffekt erzielen.

Auch der Gegenentwurf zur Kostenbremse-Initiative hat einen vergleichbaren Verlauf genommen. Verschiedene Massnahmen, die zur Korrektur von überhöhten Tarifen dienten, sind weggefallen. Die Möglichkeit, nicht oder nur teilweise wirksame Leistungen aus dem Leistungskatalog zu streichen, hat nur in abgeschwächter Form überlebt.

Die Einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS), vielerorts als Kostendämpfungsmassnahme verkauft, ist vorab ein neuer Finanzierungsschlüssel. Die Leistungserbringer werden nach wie vor die Leistungen abrechnen, die sie für richtig halten. Mit der Pflege kommt zudem ein neuer Kostenblock in die Vorlage.

Es würden Verordnungsänderungen für Preissenkungen in der Höhe von über einer Milliarde Franken vorliegen. Aber auch der Bundesrat ist nicht zu mutigen Massnahmen bereit.

Es gibt keine Alternative zur Initiative

Das heutige System ist voller Fehlanreize. Denn das Gesundheitswesen ist der einzige staatlich regulierte Markt, wo die Akteure selbst den Preis festlegen und frei bestimmen, wie viele Leistungen sie in Rechnung stellen. Die Volksinitiative fordert weder eine Rationierung noch einen Abbau von Leistungen. Die Initiative will, dass alle Gesundheitsakteure endlich ihre Verantwortung für die Kostenentwicklung übernehmen und der interne Verteilkampf zulasten der Prämienzahlenden aufhört.

Kostenziele gibt es bereits seit längerer Zeit in Liechtenstein. Von drakonischen Massnahmen oder Kostendeckeln mit Leistungsverknappung kann dort keine Rede sein. Vielmehr werden die Kostentreiber intensiv diskutiert, und Massnahmen erhalten mehr Dringlichkeit.

All das zeigt, dass ein stärkerer Hebel im Gesundheitswesen, wie wir ihn bei den Bundesfinanzen mit der Schuldenbremse seit langem kennen, seine Berechtigung hat.

CONTRA: «Unsere Kranken warten lassen? Nein Danke!» von Damian Müller

Mir geht es wie Ihnen, liebe Leserinnen und Leser. Wenn die Prämien steigen, ärgert mich das. Eine wachsende Zahl Menschen bringen die ständigen Prämienerhöhungen zunehmend unter finanziellen Druck. Im Juni stimmen wir nun über ein vermeintliches Wundermittel gegen steigende Gesundheitskosten ab: Die sogenannte «Kostenbremse-Initiative». Der Name klingt verlockend, doch die Forderung hat es in sich: Die Initiative will nichts anderes als die Verankerung eines Kostendeckels in unserem Gesundheitswesen. Von diesem rigiden Vorschlag rate ich dringend ab. Weshalb?

Wenn die Kosten in einem Jahr – aus welchen Gründen auch immer – zu stark steigen, wären Bundesrat, Kantone und Parlament per Verfassung gezwungen, Notmassnahmen zu ergreifen. Um die Kosten innert kürzester Zeit zu senken, stünden im Wesentlichen zwei Instrumente zur Verfügung: Erstens die Rationierung von Leistungen. Ab November wäre Schluss mit Behandlungen (Notfälle ausgenommen) und es käme zu Wartezeiten, wie sie zum Beispiel in England heute schon traurige Realität sind. Die Kranken müssten warten. Die Wohlhabenden könnten sich wohl noch durchwursteln, spätestens die Mittelschicht bliebe aber auf der Strecke. Die Folge: Zwei-Klassen-Medizin. Das ist der Schweiz nicht würdig und kein gangbarer Weg.

Als zweite Möglichkeit könnte die Politik Notmassnahmen innerhalb des Systems ergreifen. Staatlich verordnete Lohnkürzungen beim Pflegepersonal oder noch längere Schichten wären in der kurzen Frist ein naheliegendes Szenario. Für solche Übungen biete ich keine Hand.

Die Gesundheitskosten müssen bezahlbar sein, keine Frage. Es ist aber auch unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass unser gutes und geschätztes Gesundheitssystem erhalten bleibt – und zwar für alle. Das Parlament hat deshalb viele Stunden investiert, um Sparpotenziale zu identifizieren und Fehlanreize abzubauen. Herausgekommen ist ein indirekter Gegenvorschlag zur Initiative mit massgeschneiderten Lösungen. Augenmass und Realitätssinn, das ist der Schweizer Weg. Und nicht ein starres Konstrukt auf dem Buckel der Kranken, Bedürftigen und Pflegenden. Deshalb: Nein zur Kostenbremsen-Initiative der Mittepartei.